Socischreibsel – der Blog!

Die Nullnummer und die Motivation hinter dem Blog

Neben dem Podcast Socitalk von Andreas Lange von der Fakultät für Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege wird es ergänzend und zeitnäher in Zukunft in unregelmäßigen Abständen das „Socischreibsel“ geben.

Das ist ein Blog zu neuen sozialwissenschaftlichen, insbesondere soziologischen Erkenntnissen, Theorien und Befunden zu Familie, Kindheit, Gesellschaft und angrenzenden Gebieten geben. Aufnahmekriterium für Studien und Berichte ins Socioschreibsel sind Originalität, Kuriosität, Staunenmachenpotenzial. Man wird sehen, dass Soziologie alles andere als eine komplizierte weltferne überakademisierte Denkübung darstellt, sondern mitten im Alltagsstrom navigiert, ihre Fühler am Puls der Zeit hat und etliche Wissenspreziosen frei Haus liefert.

Es werden jeweils 1 bis 2 Nachrichten aus den einschlägigen Publikationsorganen aufgegriffen und eingeordnet.

Socischreibsel 1: Schön Sein macht aaaaahhhhhh

Mein heutiger morgendlicher Body- und Facescan vor dem Spiegel hat mich erfreut, denn schöne Menschen haben Vorteile, die mit ihrem ästhetischen Äußeren einhergeht. Die Forschung spricht von physischer Attraktivität, die beispielsweise durch die mehrfache Beurteilung von Fotografien auf einer Attraktivitätsskala mit einer hohen Übereinstimmung der Ratings gemessen wird. Nun haben die SchönheitssoziologInnen immer wieder gezeigt, dass es ein „beauty is good“- Vorurteil gibt. Als schön eingeschätzte Frauen und Männer gelten als fleißiger, kompetenter, vertrauenswürdiger moralisch besser, im Vergleich mit weniger schönen. Wir wissen zudem aus zahlreichen Studien, dass Schönheit jeweils historisch-kulturell variiert – und unsere Spätmoderne zeichnet sich dadurch aus, dass Menschen bereit sind, ganz schön viel für die Definiertheit und Strahlkraft ihres Körpers zu investieren. Wir sprechen, weil das harte Arbeit ist, vom Doing beauty. Diese Ornamentik umschließt ein ganzes Bündel von Doings. Angefangen von den vielen Pülverchen, die wir runterkippen über die Cremes und Wässerchen, die wir uns in die diversen Gesichtspartien applizieren, dem Malen nach Zahlen über die sportlichen Exegesen bis hin zu den ultimativen Allzweckwaffen der für die ÄrztInnen höchst lukrativen plastischen Chirurgie. Und der Knaller ist, das hat die Soziologin Nina Degele schon vor etlichen Jahren herausgefunden: Wir täuschen uns selbst ganz „schön“. Wir geben nicht so gerne zu, dass dieses Sich-Schön-Machen auch was mit den anderen Menschen um uns rum zu tun hat, sondern wir schieben eine Welle von Selbstverleugnung vor uns hin: Wir machen das ja nur für uns selbst………Authentizitätsfiktion könnte man das nennen…

Nun hat eine Studie, publiziert in der aktuellen Ausgabe der renommierten Kölner Zeitschrift für Soziologie ans Tageslicht gefördert, die AbiturientInnen seit dem 16. Lebensjahr wiederholt bis ins Erwachsenenalter befragt hat: Schönheit hat über 30 Jahre hinweg, auch unter statistischer Kontrolle möglicher verzerrender Faktoren, einen signifikant positiven Effekt auf die Lebenszufriedenheit. Wow, ich merke schon, wie mein Serotonin und mein Testosteron anspringen – also weiter dran bleiben mit den Schönheitswundermitteln und morgens den inneren Schweinehund abmurksen und sich trimmen, es lohnt sich, denn wer will nicht zufrieden sein wie Bolle? Der Artikel ist aber auch deshalb lesenswert, weil er die unterschiedlichen Mechanismen auflistet, die hinter der Schönheitsdividende stecken könnten:   Da gibt es erstens den Attraktivitätsaufmerksamkeitseffekt, d.h. es ziehen attraktive Menschen die Aufmerksamkeit ihrer Umwelt stärker auf sich als ihre weniger ansehnlichen Zeitgenossen, werden daher eher wahrgenommen. Ihnen wird mit mehr Respekt und Vertrauen begegnet, zudem wird stärker auf ihre Bedürfnisse geachtet, wodurch sie durch Bekannte, Freunde sowie durch Fremde eher, häufiger und mehr Unterstützung erhalten. Weil attraktive Menschen als intelligenter, fleißiger, kompetenter, zielstrebiger, zuverlässiger und leistungsfähiger sowie als empathischer, sozial verträglicher, sympathischer und ehrlicher gelten, werden ihnen Fehler und abweichendes Verhalten auch eher nachgesehen. Tolle Wettbewerbsvorteile, oder? In beruflichen und ausbildungsbezogenen Zusammenhang heißt dies ihre Leistungen eher wahrgenommen werden, stärker im Gedächtnis bleiben und besser beurteilt werden. Das alles würde wohl kaum jemand in einem persönlichen Interview wegen der sozialen Erwünschtheit, in diesem Fall, sozialer Unerwünschtheit, offen zugeben. Aber Soziologen sind, so Norbert Elias (1971), eben Mythenjäger. Und wie der polnische Soziologe Zygmunt Bauman (2000) formuliert: Soziologie irritiert, stellt Fragen. Und zeigt, dass Sachverhalte, die wir als gegeben ansehen, auch ganz anders sein können. Kontingenz ist das vornehme Wort dafür. Das darf an für Schönheit auch mal durchdenken ….

Quellen:

Baumann, Zygmunt (2000). Vom Nutzen der Soziologie. Frankfurt: Soziologie

Elias, Norbert (1971). Was ist Soziologie? Weinheim: Juventa.

Degele, Nina (2004). Sich schön machen. Zur Soziologie von Geschlecht und Schönheitshandeln. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Ulrich Rosar/Roman Althanse/Johannes Krause (2023). Physische Attraktivität und Lebenszufriedenheit. Eine empirische Untersuchung auf der Grundlage der fünf Wellen des Kölner Gymnasiasten-Panels 1969 bis 2019. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 75, 4, 419-449.

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